Manch einer denkt beim Thema „Feuchtgebiete“ an den gleichnamigen Roman von Charlotte Roche. Wenn ich an Feuchtgebiete denke, dann kommen mir unweigerlich zwei Orte in den Sinn – Albufera auf Mallorca und die Everglades in Florida. Beide sind schön, doch die Everglades sind von den Dimensionen her eine ganz andere Hausnummer.
In unserem Florida-Urlaub (ich berichtete euch bereits von meiner Erfahrung mit American Airlines) Ende April waren die Everglades als eine der Hauptattraktionen des US-Bundesstaates eine der ersten Anlaufstellen. Was auch daran lag, dass unser Motel in Florida City nur etwa eine halbe Stunde von den Ausläufern des Naturschutzgebietes entfernt lag. Ein idealer Ausgangspunkt also für eine Entdeckungstour.
Schon von Deutschland aus machten wir uns schlau und entdeckten auch eine deutschsprachige Führung durch die Everglades. Aufgrund unserer fortgeschrittenen Sprachkenntnisse hätten wir zwar auch die Tour in Englisch mitmachen können, aber manchmal versteht man ja doch nicht jedes Wort und nicht zuletzt waren meine sprachlich nicht so bewanderten Schwiegereltern dabei. Wie sich herausstellte, war es nicht nur aus den genannten Gründen die richtige Entscheidung.
Einführung: Was sind die Everglades überhaupt?
Schaut man sich Bilder der Everglades an, dann kommt man unweigerlich auf die Idee, „Das müssen Sümpfe sein!“ Ein fließendes Gewässer ist nicht wahrzunehmen, es scheint einfach eine stehende Wasserlandschaft mit ganz viel Wildwuchs zu sein.
Tatsächlich aber handelt es sich um eine Art Fluss, der sich vom Lake Okeechobee im Norden aus seinen Weg in Richtung Süden bahnt. Dieser weist eine Breite von bis zu 80 Kilometern und eine Länge von rund 322 Kilometern auf. Dabei besitzt das Wasser an vielen Stellen nur eine Tiefe von wenigen Zentimetern.
Seine Fließbewegung ist für uns Menschen so gut wie nicht wahrzunehmen. Lediglich 1 Meter pro Stunde bewegt sich das Gewässer vorwärts. Diese Prärie ist durchzogen von den verschiedensten Pflanzen und gleichzeitig die Heimat hunderter Tierarten.
Allein die Vogelpopulation wird auf rund 400 beziffert. Dazu zählen die einzigen wildlebenden Flamingos der USA, Kormorane, Pelikane, Reiher und viele mehr. Außerdem sind im Everglades National Park etwa 300 Süß- und Salzwasserfische sowie verschiedene Säugetierarten wie Waschbären, Braunbären und Panther beheimatet. Darüber hinaus sind die Everglades ein hervorragendes Rückzugsgebiet für Reptilien.
An allererster Stelle stehen natürlich die Alligatoren, wegen denen wohl die meisten Touristen das Gebiet aufsuchen.
Startpunkt: Das Ernest F. Coe Visitor Center
Unser Ausflug in den Everglades National Park startete am Ernest F. Coe Visitor Center, das unmittelbar am State Highway 9336 gelegen und nicht zu verfehlen ist. Auf dem Weg dorthin begegneten uns immer wieder Hinweisschilder auf den Florida-Panther, der wohl gerne die Straße überquert. Leider gehört Floridas Wappentier mit maximal 100 Exemplaren zu den bedrohten Tierarten, deshalb muss man sicherlich großes Glück haben, ihm in freier Wildbahn zu begegnen. Dann aber besser mit Sicherheitsabstand.
Ausstellungen, Orientierungsfilme und Informationsmaterial geben den Besuchern einen ersten Vorgeschmack darauf, was sie in der echten Wildnis da draußen eigentlich erwartet. Alligatoren und Krokodile zum Beispiel, die in den Everglades praktisch Pfütze an Pfütze wohnen. Das ist in der Welt einmalig oder besser gesagt zweimalig. So eine Kroko-WG gibt es sonst nur noch in China, wurde uns gesagt.
Die (seltenen) Krokodile leben jedoch in Küstennähe im Salzwasser, wo hier und da Warnschilder aufgestellt sind.
Dieses Besucherzentrum hat 365 Tage im Jahr geöffnet, wenn nicht gerade ein Hurrikan Florida heimsucht. Im Außenbereich kann man einen ersten Blick auf die Everglades werfen und entdeckt im Wasser vielleicht schon den ein oder anderen Alligator.
Ernest F. Coe Visitor Center – Adresse & Öffnungszeiten
Ihr findet das Ernst F. Coe Visitor Center hier: 40001 State Road 9336, Homestead, FL 33034.
Geöffnet hat es von Mitte April bis Mitte Dezember zwischen 9 Uhr und 17 Uhr sowie von Mitte Dezember bis Mitte April von 8 Uhr bis 17 Uhr.
Deutschsprachige Führung durch die Everglades
Weiter ging es für uns zum nur wenige Fahrminuten entfernten Royal Palm Visitor Center, von wo aus unsere deutschsprachige Führung über den Anhinga Trail startete.
Das Besucherzentrum mit seiner ursprünglichen Umgebung eignet sich perfekt als Fotomotiv. Ringsherum sind die verschiedensten Pflanzenarten angesiedelt, von denen es in den Everglades über 1000 Stück gibt. Dazu zählen mehr als 100 Baumarten (Zypressen, Palmen, Mahagonibäume), Farne, Seerosen und Orchideen.
Es hat schon etwas Unwirkliches, diese weite Landschaft zu sehen, insbesondere wenn man erst am Vortag aus dem Flieger gestiegen ist. In Florida prasseln in kürzester Zeit so viele Eindrücke auf einen ein, dass man sie gar nicht so schnell verarbeiten kann.
Caren Tautz-Kopania, unsere Parkführerin, empfing uns um Punkt 11 Uhr an den Bänken des Besucherzentrums. Sie stammt aus Bielefeld und macht den Job ehrenamtlich, bietet über ihre Webseite deutsche-touren-everglades.com aber auch bezahlte, mehrstündige Everglades Touren an.
Unter anderem erfuhren wir (die meisten Informationen habe ich leider schon wieder vergessen), dass sich Florida vom Breitengrad her auf Höhe der westlichen Sahara in einem Wüstengürtel befindet. Nicht selten treibt es den Sahara-Sand bis in den südlichen Stiefel der USA. Wenn der Staat keine von Wasser umgebene Halbinsel mit der tropischen Karibik im Nacken bilden würde, wären weite Teile des Landes Wüste.
Stattdessen dominiert ein feucht-warmes Klima, das mit Tropenstürmen einhergeht. Deutlich zu sehen waren zum Zeitpunkt unserer Reise noch immer die Spuren der Verwüstungen, die Hurrikan Irma im Sommer 2017 hinterließ. Überwiegend zeugen kahle Bäume von der Naturkatastrophe.
Sind Airboat-Touren durch die Everglades gut oder schlecht?
Unter den argwöhnischen Blicken dutzender Alligatoren, die nur wenige Zentimeter aus dem Wasser gucken, und Blüten-mampfender Schildkröten fragte ich Caren, ob es denn ökologisch vertretbar ist, Airboat-Touren durch die Everglades zu machen.
Die Antwort überraschte mich dann doch etwas, ging ich doch von einer kleinen Naturkatastrophe aus.
Es sei weder gut noch richtig schlecht, mit den Propeller-Booten durch die Everglades zu knattern. Bis zu einem gewissen Grad werde schon das Ökosystem beeinträchtigt, doch die Boote seien gleichzeitig ein kulturelles Erbe der Menschen dort.
Einem Aligator über den Kopf zu fahren, ist im Übrigen so gut wie ausgeschlossen. Die Tiere hören schon von Weitem die Airboote anrauschen und suchen im Zweifelsfall schnell das Weite. Sie sehen nämlich nur so träge aus. Wenn es nötig ist, schießen sie pfeilschnell durchs oder aus dem Wasser.
Der Mahogany Hammock Trail
„Hammock“ bedeutet übersetzt so viel wie Hängematte. Der Mahogany Hammock Trail, der rund 32 km entfernt vom Ernst F. Coe Visitor Center liegt und eine Zwischenstation auf dem Weg nach Flamingo darstellt, bedeutet also „Mahagoni Hängematten-Pfad“. Der etwa 0,5 Meilen (800 Meter) lange Rundweg führt die Besucher durch eine üppige Vegetation.
Warum Hängematte? Laut der offiziellen Beschreibung vor Ort dringt der Holzsteg in eine üppige Bauminsel ein, „eine tropische Hängematte“.
Das Besondere an dem Mahogany Hammock Trail ist, dass er aufgrund seiner versteckten Lage nicht der Abholzung früherer Tage zum Opfer fiel. Die uralten Mahagoni-Bäume konnten so zu Rekordgrößen heranwachsen. Noch heute steht dort der größte lebende Mahagoni-Baum der Vereinigten Staaten.
Flamingo als Endpunkt unseres Ausfluges in den Everglades Nationalpark
Unser letzter Weg führte uns nach Flamingo, wo sich das südlichste Headquarter des Everglades National Parks befindet.
Wenn ihr vom Royal Palm Visitor Center kommend wieder nach links auf die Road 9336 abbiegt, gelangt ihr kurze Zeit später an eine Entrance Station. Für nicht gerade günstige $25 pro Fahrzeug bekommt ihr Zufahrt zum Park. Der Pass ist aber wenigstens 7 Tage lang gültig, sodass sich mehrere Ausflüge anbieten. Gratis ist die Durchfahrt lediglich an vier Feiertagen im Jahr. Mehr dazu könnt ihr auf der offiziellen Seite nps.gov nachlesen.
Flamingo besteht aus kaum mehr als einem Besucherzentrum mit riesigem Parkplatz, auf dem eine überlebensgroße US-Flagge steht. Angrenzend befinden sich eine Bootsanlegestelle sowie ein Campingplatz.
Früher existierte rund 4 1/2 Meilen westlich vom Campingplatz der eigentliche Ort namens Flamingo. Heute ist nur noch eine Geisterstadt mit wenigen Teilen früherer Grundmauern übrig.
Abschließend kann ich sagen, dass es sich absolut lohnt, einen Abstecher in die Everglades zu unternehmen, wenn ihr in der Nähe seid. Macht am besten eine der geführten Touren mit, die in verschiedenen Sprachen angeboten werden.
Mehr Informationen zu den Touren bekommt ihr HIER.
Bei jedem Besuch in den Everglades gilt, sich vorsichtig zu bewegen und nicht leichtsinnig zu sein. Hinter jedem Busch könnte ein Alligator liegen, die zwar als nicht sonderlich aggressiv gelten, aber eben auch mal Hunger haben. Auf der Speisekarte der Tiere steht der Mensch in der Regel natürlich nicht.